Page 35 - GoldenesBuch
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Junker Hans Weihnachtsmärchen vorgetragen
am 20.12. a.U.142 (Ritter Flink-Fex)
War das eine Aufregung im Vorzimmer zum Himmel.
Ein paar Harfenklänge zuvor war eine ganze Heerschar himmlischer
Engelsgeschwader auf den Planeten Erde abkommandiert worden um zu erkunden, ob
und wie in diesem menschlich-irdischen Jahr wieder das Fest der Geburt des kleinen
Heilandes gefeiert werden konnte. Und nun trafen die einzelnen Späher wieder ein,
müde, abgekämpft, das Streusalz irdischer Straßen an den vormals weißen Kleidchen
und Staub an den Füßen.
Ein kleiner unscheinbarer Engel mit matt herabhängenden Flügeln und zerzausten
Engelhaar war einer letzten. Es war sein erster Späherflug gewesen, denn in der
Hierarchie der alten ausgedienten und religionserprobten Erzengel war er steht’s
unterdrückt und übergangen worden, und hätte er nicht vor einigen Lichtjahren der
Heiligen Jungfrau ihr verlorenes Psalmenbuch wieder gebracht, das sich unter einer
Jubelwolke versteckt hatte, so wäre dieser Erdausflug wohl noch lange nicht zustande
gekommen.
Aber nun stand er da, mit glänzenden Augen, geröteten, leicht pausbackig
aufgeblasenen Wangen, strahlend, und doch total verwirrt.
„Petrus“ rief er, „Petrus, was ich da unten gesehen habe, es kann nicht wahr sein, es ist
zu phantastisch, es geht nicht in mein Engels-
Gehirn, nie hab ich solches geschaut !“
„Silentium, beruhige Dich erst einmal“, sagte da Petrus lächelnd.
„Mit Freuden und sofort“ platzte der Engel heraus und seine Augen glänzten wieder.
„Was ist denn das für eine seltsame Antwort?“ mahnte Petrus streng. „Hier im
himmlischen Gefilden heißt das „In Ewigkeit amen“
„Aber sie sagen es da unten alle so“ maulte der kleine Engel und zog ein beleidigtes
Gesicht.
„Sie sagen es alle so, wenn sie sich treffen und zusammen feiern.“
„Dort unten vielleicht aber nicht hier im Himmel“. Also, berichte endlich, was gibt es?
„Eure Herrlichkeit, Schlaraffen hört !“ legte der kleine Engel los, um sich beim Anblick
des dunkelrot anlaufenden Gesichtes des heiligen Petrus rasch zu verbessern.
„Gloria in excelsis dea“ sagte er, und der missmutige Blick des heiligen Petrus erhellte
sich wieder himmlisch – gütig.
„Was ich gesehen habe ist schier unglaublich. Eine Schar von Männern, teils jung und
schön, teils älter oder auch nur reifer, alle bunte Hauben auf dem Kopf, Schärpen um die
Brust und kühne Worte auf den Lippen. Sie nennen sich Schlaraffen und Ritter und
tragen in einem Raum, der Burg heißt.
Vorn steht ein Podest, das Thron genannt wird. Dort sitzen die drei Weisen, die sie auch
Herrlichkeiten nennen, ähnlich unserer Dreifaltigkeit, nur nicht so fromm und heilig, mehr
ironisch-lustig. Statt himmlischem Nektar trinken sie einen Saft, den sie Faunlethe
nennen, und dabei verdrehen sie die Augen wie in höchst himmlischer Verzückung.
„Faunlethe ?“ sagte Petrus fragend- nachdenklich und dachte daran, dass er beim
Genus des himmlischen Nektar schon des öfteren saures Aufstoßen zu beklagen hatte.
„Schmeckt das denn?“ „Besser als Manna und der ganz andere himmlische
Ambrosius Verschnitt“ behauptete der kleine Engel.